Erich Maria Remarque, Zitate

Das Leben hat nicht beabsichtigt, uns vollkommen zu machen. Wer vollkommen ist, gehört in ein Museum.

Das große Abenteuer heute ist ein klares, ruhiges Leben.

Sie lächelte und lehnte sich an ihn. Er spürte, wie etwas in ihm sich öff nete und ausbreitete, warm und weich und weit, etwas, das ihn niederzog wie mit vielen Händen, und es war plötzlich unerträglich, daß sie nebeneinander standen, auf Füßen, schmalen Plattformen, lächerlich aufgerichtet, balancierend; anstatt es zu vergessen und niederzusinken, dem Schluchzen der Haut nachzugeben, dem Ruf hinter den Jahrtausenden, als es das alles noch nicht gab, Gehirn und Fragen und Qual und Zweifel – nur das dunkle Glück des Blutes …

Wir haben unsere Träume, weil wir ohne sie die Wahrheit nicht ertragen könnten.

Das Leben hielt sich ihm hin, und er machte Einwendungen. Nicht, weil es zuwenig – weil es zuviel war.

Wir waren plötzlich auf furchtbare Weise allein; – und wir mußten allein damit fertig werden.

Und plötzlich, in der späten Einsamkeit des Platzes, obschon er nichts von ihr wußte, erschien sie ihm einen Augenblick gerade deshalb seltsam zugehörig zu ihm. Sie war ihm fremd, so wie er sich selbst überall fremd fühlte, und das schien ihm auf eine sonderbare Weise näher, als durch viele Worte und die abschleifende Gewohnheit der Zeit.

Leben heißt, von andern leben. Wir fressen alle voneinander. So ein bißchen Flimmern von Güte ab und zu – das soll man sich nicht nehmen lassen. Es stärkt, wenn man schwierig lebt.

Glück, dachte er. Die blauen Horizonte der Jugend. Die goldhelle Balance des Lebens, Glück! Mein Gott, wo war das geblieben?

Liebe verdirbt den Charakter.

«Eine Klinik ist wie ein» Konvent, sagte sie. «Man lernt die einfachsten Sachen wieder schätzen. Gehen, Atmen, Sehen»

Geld deckt alles zu.

Weiße Sommerwolken. Der Himmel der Jugend. Wo waren die Abenteuer des Herzens geblieben? Erschlagen von den fi nsteren Abenteuern des Daseins.

Meinetwegen auch, weil wir Funken in einem unbekannten Wind sind.

Zu laut? Was war zu laut? Nur die Stille. Die Stille, in der man zersprang wie in einem luft leeren Raum.

Liebe ist kein Wort dafür. Es ist nicht genug. Es ist nur ein geringer Teil, es ist nur ein Tropfen in einem Fluß, ein Blatt an einem Baum. Es ist so viel mehr.

Wir sind verlassen wie Kinder und erfahren wie alte Leute, wir sind roh und traurig und oberflächlich – ich glaube, wir sind verloren.

Merkwürdig, dachte er. Man erwartet immer, Menschen müßten hemmungslos glücklich sein, wenn sie dem Tode entronnen sind. Sie sind es fast nie. Diese hier ist es auch nicht. Ein kleines Wunder ist geschehen, und alles, was sie daran interessiert, ist, daß sie nicht durch den Regen gehen muß.

Jeden Augenblick starben Tausende von Menschen. Es gab Statistiken darüber. Es war nichts dabei. Aber für den einen, der starb, war es alles und wichtiger als die ganze Welt, die weiter kreiste.

Laß uns ein Glas darauf trinken! Was wäre die Welt ohne die Moral des Geschäft es! Ein Haufen Verbrecher, Idealisten und Faulenzer.

Wir alle waren – und sind oft noch unruhig, ziellos, bald exaltiert, bald gleichgültig, im tiefsten Grunde aber unfroh. Der Schatten des Krieges hing auch und gerade über uns, wenn wir gar nicht daran dachten.

Vergessen. Welch ein Wort. Voll von Grauen, Trost und Gespensterei! Wer konnte leben, ohne zu vergessen? Aber wer konnte genug vergessen? Die Schlacken der Erinnerung, die das Herz zerrissen. Erst wenn man nichts mehr hatte, für das man lebte, war man frei.

Abgehärtet ist man nie. Man kann sich nur an vieles gewöhnen.

Es lenkt ab. Schach ist vollkommener als Kartenspielen. Kartenspielen ist Glück und Pech. Das lenkt nicht genug ab. Schach ist eine Welt für sich. Solange man spielt, tritt sie an die Stelle der anderen da draußen.

Es war gut gemeint, aber man vertrug das schlecht. Gegen Beleidigungen konnte man sich wehren; gegen Mitleid nicht.

Was lebte, bewegte sich – und was sich bewegte, konnte Kraft haben und Grazie und Lächerlichkeit – aber nicht die fremde Majestät dessen, das sich nie mehr bewegen, sondern nur noch zerfallen konnte. Das Vollendete allein hatte es – und der Mensch war nur im Tode vollendet – und nur für kurze Zeit.

Auf dem weißen Tisch lag das, was vor ein paar Stunden noch Hoff nung, Atem, Schmerz und zitterndes Leben gewesen war. Jetzt war es nur noch ein sinnloser Kadaver – und der menschliche Automat, Schwester Eugenie genannt, der stolz darauf war, nie einen Fehltritt begangen zu haben, deckte es zu und karrte es fort.

Wenn man tot ist, ist man sehr wichtig … wenn man lebt, kümmert sich niemand.

Sie wußte, was sie wollte. Das Leben hatte keine Geheimnisse für sie.

Die Welt fährt eifrig fort, ihren Selbstmord vorzubereiten und sich gleichzeitig darüber hinwegzutäuschen.

Daß Menschen sich lieben, ist alles; ein Wunder und das Selbstverständlichste, was es gibt, das habe ich heute gefühlt, als die Nacht in einen Blütenbusch zerschmolz und der Wind nach Erdbeeren roch, und ohne Liebe ist man nur ein Toter auf Urlaub, nichts als ein paar Daten und ein zufälliger Name, und man kann ebensogut sterben …

Warum, Ravic? Nachts wird alles farbiger. Nichts erscheint einem mehr schwer, man glaubt, alles zu können, und was man nicht erreichen kann, füllt man mit Träumen aus. Warum?

Die Augen, dachte Ravic. Als gingen Blitze dahinter nieder. Sanft e, rötliche Blitze von einem Gewirr von Kerzen.

Man kann sich auch mit der Wahrheit betrügen. Das ist ein noch gefährlicherer Traum.

Liebe, dachte er. Auch das ist Liebe. Das alte Mirakel. Es wirft nicht nur den Regenbogen der Träume an den grauen Himmel der Tatsachen – es verklärt sogar einen Scheißhaufen mit romantischem Licht – ein Wunder und ein toller Hohn.

Die Fakten des Daseins sind simpel und trivial. Erst unsere Phantasie gibt ihnen Leben. Sie macht aus den Wäschepfählen der Tatsachen Flaggenmaste der Träume.

War er nicht ein Narr, daß er einer Täuschung nachjagte, dem Refl ex einer verknäuelten, schwarzen Erinnerung, einer fi nsteren Reaktion – daß er wieder zu wühlen begann in den Schlacken toter Jahre, aufgerührt durch einen Zufall, eine verfl uchte Ähnlichkeit – daß er ein Stück verfaulter Vergangenheit, eine Schwäche kaum verheilter Neurose wieder aufb rechen ließ und alles dadurch in Gefahr brachte, was er in sich aufgebaut hatte, und den einzigen Menschen, in all dem Gleiten, der ihm verbunden war?

Es waren immer die kleinen Dinge, die Aufschluß gaben, nie die großen. Die großen lagen zu nahe der dramatischen Geste und der Verführung zur Lüge.

Die Sterne stehen nackt da oben in der Kälte. Wie leicht man friert, wenn man allein ist! Auch wenn es heiß ist. Zu zweien nie.

Das Glück liegt nur um uns herum. Wir brauchen es bloß aufzuheben.

Allein sein – der ewige Refrain des Lebens. Es war nicht schlimmer und nicht besser als manches andere. Man sprach zuviel davon. Man war immer allein und nie.

«Wir brauchen nicht mehr zu denken. Alles ist vorgedacht, vorgekaut, vorgefühlt. Konserven. Nur aufzumachen. Dreimal am Tage ins Haus geliefert. Nichts mehr selbst zu ziehen, wachsen zu lassen, auf dem Feuer der Fragen, des Zweifels und der Sehnsucht zu kochen. Konserven» Er grinste. «Wir leben nicht leicht, Boris. Nur billig.»

Alles, was man mit Geld abmachen kann, ist billig.

Vergessen Sie das. Reue ist das Nutzloseste in der Welt. Man kann nichts zurückholen. Man kann nichts gutmachen. Wir wären sonst alle Heilige.

Nur einfache Dinge enttäuschen nie. Und mit Glück kann man gar nicht weit genug unten anfangen.

Macht ist die ansteckendste Krankheit, die es gibt.

Es behütet uns davor, Rentiers der Leidenschaft zu werden. Es hält uns die Liebe rein – sie bleibt eine Flamme – und wird kein Kochherd für den Familienkohl.

Liebe ist kein Teich, in dem man sich immer spiegeln kann, Joan. Sie hat Ebbe und Flut. Und Wracks und versunkene Städte und Okto- pusse und Stürme und Goldkisten und Perlen. Aber die Perlen liegen tief.

Worte, im Dunkeln gesprochen – wie können sie schon wahr sein? Wirkliche Worte brauchen viel Licht.