Erinnerungen, Zitate

Vergessen. Welch ein Wort. Voll von Grauen, Trost und Gespensterei! Wer konnte leben, ohne zu vergessen? Aber wer konnte genug vergessen? Die Schlacken der Erinnerung, die das Herz zerrissen. Erst wenn man nichts mehr hatte, für das man lebte, war man frei.

In einer Selbstbiographie läßt es sich nicht vermeiden, daß sehr häufig dort, wo »einmal« der Wahrheit gemäß gesetzt werden sollte, »öfters« gesetzt wird. Denn man bleibt sich immer bewußt, daß die Erinnerung aus dem Dunkel holt, das durch das Wort »einmal« zersprengt, durch das Wort »öfters« zwar auch nicht völlig geschont, aber wenigstens in der Ansicht des Schreibenden erhalten wird und ihn über Partien hinträgt, die vielleicht in seinem Leben sich gar nicht vorgefunden haben, aber ihm einen Ersatz geben für jene, die er in seiner Erinnerung auch mit einer Ahnung nicht mehr berührt.

War er nicht ein Narr, daß er einer Täuschung nachjagte, dem Refl ex einer verknäuelten, schwarzen Erinnerung, einer fi nsteren Reaktion – daß er wieder zu wühlen begann in den Schlacken toter Jahre, aufgerührt durch einen Zufall, eine verfl uchte Ähnlichkeit – daß er ein Stück verfaulter Vergangenheit, eine Schwäche kaum verheilter Neurose wieder aufb rechen ließ und alles dadurch in Gefahr brachte, was er in sich aufgebaut hatte, und den einzigen Menschen, in all dem Gleiten, der ihm verbunden war?

Sein Gedächtnis, ein ungeheures Museum, das alles in zuverlässiger Konservierung hegte, hielt Gesichter, Leiber, Duft, Stellung in sicherer Treue fest; weiter rührte keine.

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